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Nicolaus Sombart

Jugend in Berlin 1933–1943

Nicolaus Sombart ist mit seinem Buch "Jugend in Berlin" – es wurde 1987 vom SFB verfilmt – ein wichtiges Zeitdokument gelungen, das Aspekte der Jahre 1933 – 1943 in Erinnerung bringt, die in den üblichen Darstellungen dieser Periode vergessen scheinen.
Sombarts Elternhaus stand im alten Grunewaldviertel – im Rückblick eine Idylle, fern der Massenaufmärsche im Zentrum der Reichshauptstadt. Die Bibliothek des Vaters, des bekannten Nationalökonomen Werner Sombart, und der Salon der Mutter bildeten die Pole einer eigenwilligen, intellektuell und künstlerisch vielseitigen Jugend, die bis zur Einberufung in die Wehrmacht von den politischen Ereignissen auffallend distanziert blieb.
Mit viel Poesie und Präzision wird eine eigentümliche Zauberbergatmosphäre beschworen: der Lebensstil des Vaters, die kosmopolitische Geselligkeit der Mutter, die Erlebniswelt der bündischen Jugend, erste Beziehungen zu Mädchen, prägende Jugendfreundschaften; vor allem aber auch die zahllosen, bedeutenden und bedeutsamen Menschen, die im Hause Sombart verkehren: letzte Repräsentanten des "Alten Europa" wie Graf Keyserling, André Germain und Helene von Nostitz; heute vergessene Dichter wie Bruno Goetz und der Georgier Grigol Robakidse; oder ein noch unbekanntes Talent wie der junge Sergiu Celibidache. Sie alle werden meisterhaft beschrieben.
Das Porträt seines Vaters, des "Herrn Geheimrat", und die Gespräche mit dem "Preußischen Staatsrat" Carl Schmitt können darüber hinaus beanspruchen, wichtige Beiträge zur Erforschung der geistigen Haltung jener bildungsbürgerlichen Elite zu sein, die sich der Zerstörung "ihres" Deutschland durch Hitler nicht zu widersetzen verstand. Das ist die andere Dimension dieses Buches: Ohne die Tabus der Rechten und der Linken zu respektieren, geht hier jemand in extremer Subjektivität der Frage nach den mutmaßlichen Ursachen des "deutschen Sonderweges" nach, wobei – jenseits der autobiographischen Anekdote – Antisemitismus, Männerbundtradition und Matriarchatsmythos zu zentralen Themen eines originellen Deutungsversuches werden.

Fischer Taschenbuch Verlag
Frankfurt am Main 1993
Taschenbuch, 302 Seiten
ISBN 3-596-10526-9
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(Shakespeare and Company)

"Ein widersprüchliches Buch. Und deshalb ein schönes Buch. Ein Buch, das betroffen macht und einen betrifft." Hermann Glaser

"Das Buch ist eine Fundgrube, eine Schatz- oder Rüstkammer zur Kenntnis – nein, mehr: zum Verständnis hochbürgerlicher Kultur in Deutschland, mit all ihren Facetten, Gebrochenheiten, Widersprüchen, in ihrer Größe und in ihrem Verhängnis. Wenn die Kritik zum Teil auf den Autor einschlägt, dann verwechselt sie weithin Ursache und Wirkung, Subjekt und Objekt – von denen einmal abgesehen, die (…) „ihren Revolver entsichern“, wenn sie das Wort Kultur hören. Christian Graf von Krockow

"(…) ein herrliches Buch. Niemand hat diese letzte sterbende Stunde des Großbürgertums vom Grunewald so plastisch und intelligent wieder zum Leben erweckt. Das Merkwürdige ist: Es ist eigentlich ein ganz untypisches Elternhaus, trotzdem wird eine ganze Epoche wach." Horst Krüger